Erst die Wohnung, dann das Sofa – ein Tandempaar wird fündig

 

Ein „L“ sollte es sein, zumindest ein kleines. Ein L-förmiges Sofa, davon träumte Sham, als er den Mietvertrag für seine erste eigene Wohnung unterschrieb. Ulrike, Shams Patin, erschien dieser Wunsch anfangs ziemlich abwegig. Ein ausladendes Sofa für ein 27 Quadratmeter großes Apartment? Doch im Internet fand sie tatsächlich ein „L“, das passte.

Die viel größere Herausforderung hatten Ulrike und Sham da bereits gemeistert: überhaupt eine Wohnung zu finden in Hamburg. Als die Tandempartner einander vorgestellt wurden, im Sommer 2016, ging für Ulrike ein langes Berufsleben zu Ende – für den damals 25-jährigen Sham fing es gerade erst an. Hinter Ulrike lagen 25 Jahre als Personalreferentin in einem Hamburger Unternehmen, hinter Sham lag die lebensgefährliche Flucht aus Eritrea, einem Land, in dem das Militär jungen Menschen vorschreibt, welchen Beruf sie auszuüben haben.

Ulrike suchte eine sinnvolle Aufgabe, wollte neue Kulturen kennenlernen und landete, vermittelt durch eine Freundin, beim Verein „Hamburger mit Herz“. Sham brauchte jemanden, der mit ihm Deutsch lernte, mit Ulrikes Unterstützung bestand er die B1-Sprachprüfung. „Ich wusste ganz wenig über Eritrea“, erzählt die 63-Jährige, die eine erwachsene Tochter hat und in Eimsbüttel lebt.

Die Patenschaft sieht sie keineswegs als Einbahnstraße. Ulrike schätzt die Gespräche mit ihrem deutlich jüngeren Mentee, die beiden diskutieren viel, tauschen sich aus über ihre Vorstellungen vom Leben, reden über Religion.
Durch Sham, der 2013 vor dem Militärdienst in seinem Heimatland floh und seine Frau und seinen Sohn mehr als fünf Jahre lang nicht sehen konnte, erfuhr Ulrike von den unwürdigen Zuständen in Eritrea, von der fehlenden Perspektive. Es ist eine vertrauensvolle Beziehung, die die beiden aufgebaut haben. Sie zeichnet sich aus durch gegenseitigen Respekt und eine große Offenheit für die Ansichten des anderen.
Sham sagt seiner Mentorin, was er denkt. „Sie versteht sofort, was ich meine.“ Im Moment arbeitet der 27-Jährige in einer Autowaschanlage und hat noch einen Nebenjob – langfristig würde er gerne eine Ausbildung machen. Ulrike unterstützt ihn in seinen Plänen, würde ihn jedoch niemals zu etwas drängen. „Am Ende sage ich immer: Du bist erwachsen, musst du entscheiden.“

Was sie an Sham besonders mag: Dass er kontaktfreudig ist, fröhlich, und alles Neue spannend findet. „Und dass er immer auch an andere denkt.“ Der junge Mann, der in einer großen Familie auf dem Dorf aufgewachsen ist, lebte nach seiner Ankunft in Hamburg mehr als zwei Jahre in Gemeinschaftsunterkünften und sehnte sich nach einer eigenen Wohnung. Er baute auf Ulrikes Tatkraft, doch die musste ihn zunächst enttäuschen: „Ich kann dir auch keine Wohnung aus dem Stegreif zaubern“, sagte sie ihm und nahm ihn mit zu einer offenen Besichtigung, „da standen die Leute schon zur Tür raus“. Es brauchte Monate und unzählige Besuche bei Wohnungsbaugesellschaften in der ganzen Stadt, bis sie schließlich fündig wurden.
Im Februar 2017 konnte Sham in ein Hochhaus der SAGA in Bramfeld einziehen. Bald darauf zog auch das kleine „L“ ein, auf dem Ulrike nun sitzt, wenn sie Sham besucht. Und auch für Shams Frau und den gemeinsamen Sohn, die Anfang des Jahres nach Deutschland kommen durften, ist noch genug Platz.

Ehrenamt als Pate im Ankerlicht Programm von Schlaufox e.V.

 

Beschreibe kurz dein Ehrenamt (Für welche Organisation bist du tätig? Was sind deine Aufgaben?)

Ich bin als Mentor im Ankerlicht Programm von Schlaufox e. V. tätig. Die Grundidee von Ankerlicht ist Geflüchtete durch einjähriges Mentoring beim Übergang in die regulären Schulklassen zu unterstützen. Manche Geflüchteten sind jedoch bereits auf dem  Weg zu einem Schulabschluss oder auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz. Das ist momentan z. B. bei meinem Mentee der Fall. Mein Mentee hat im vergangenen Schuljahr den MSA erworben. Für die Abschlussprüfungen haben wir zusammen gelernt  und jetzt dreht sich alles um die Suche nach einem Ausbildungsplatz.

Sind das Dinge, die dich auch außerhalb deines Ehrenamts interessieren?

Ich glaube nicht viele Menschen beschäftigen sich in ihrer Freizeit mit dem Thema Bewerbungen oder dem Wiederholen von mathematischen Funktionen aus ihrer Schulzeit. Bei mir ist das jedenfalls nicht der Fall. Das bedeutet aber nicht, dass das mir keinen Spaß macht. Ganz im Gegenteil!

Was hat dich dazu bewegt, dich zu engagieren?

Für mich gibt es mehrere Beweggründe, warum ich mich bei Schlaufox engagiere. Zum einen glaube ich, dass das Ehrenamt allgemein, egal in welchem Bereich man tätig ist, einen wertvolle Erfahrungen bietet und man persönlich einiges mitnimmt. Zum anderen habe ich selbst einen eher ungewöhnlichen Bildungsweg hinter mir. Ich bin selbst zur Hauptschule gegangen. Bei mir war das familiär im Prinzip so vorbestimmt. Das erste Mal richtig gefordert und gefördert fühlte ich während meiner Lehre durch meinen Ausbilder, der für mich auch ein Art Mentor war. Danach habe ich das Abitur nachgeholt und studiert. Daher weiß ich aus eigener Erfahrung wie wichtig es ist jemanden zu haben, der einen fördert. Aus diesem Grund war es für mich wichtig, mich in einem Verein zu engagieren bei dem Bildung bzw. die Ausbildung im Fokus steht.

Gerade Geflüchtete benötigen – alleine schon wegen der Sprachbarriere – Unterstützung um ihre Potentiale entfalten zu können. Manchmal entscheiden Kleinigkeiten darüber, welchen Weg man einschlägt. Hier oder da eine bessere Note um eine weiterführende Schule besuchen zu können oder ein kleiner Fehler in den Bewerbungsunterlagen kostet einen den Ausbildungsplatz. 

Ich glaube, dass wir diese Zeit einfach investieren sollten. Am Ende profitieren wir alle davon, wenn Menschen ihre Potentiale entfalten können - egal ob sie einen Fluchthintergrund besitzen oder nicht. 

 

Was ist das Schönste, das du während deines Engagements bisher erlebt hast?

Ich weiß nicht, ob es ein einzelnes Highlight wirklich gibt. Ich empfinde es oft als schön, wenn ich merke, wie viel er bereits gelernt hat. Nicht nur im Mentoring, sondern insgesamt seit er in Deutschland ist. Man muss dabei auch immer bedenken, dass er das alles in seiner zweiten Fremdsprache lernen muss. Das ist schon eine enorme Leistung.

Gemeinsam viel bewegen – Vormünder*innen und Pat*innen gesucht!

 

Die Hamburgerin Frederieke war ehrenamtliche Vormundin von Samira – bis heute verbindet die zwei Frauen eine Freundschaft. Für Open Hamburg berichtet sie von ihren Erfahrungen.

„Im März 2017 haben wir uns das erste Mal getroffen. Damals habe ich Samira in ihrer Jugendwohnung besucht und Samira hat afghanisch für mich gekocht“, berichtet Frederieke Köver (30) vom Anfang ihrer Vormundschaft. Im Rahmen des Projektes „Vormundschaften“ des Deutschen Kinderschutzbundes, Landesverband Hamburg, lernten Samira und sie sich kennen. Samira, aus Afghanistan, damals 16 Jahre alt, noch nicht lange in Hamburg. Schnell wurde klar, was Samira sich wünscht: Eine private Person in Hamburg kennenzulernen, mit der sie sowohl Deutsch lernen und die Stadt erkunden kann, die aber auch ihre Anliegen vor Behörden vertritt und zum Beispiel im Asylverfahren an ihrer Seite steht. „Für mich ist es sehr schön, dass ich Frederieke alles fragen kann und sie mir immer hilft“, beschreibt Samira, mittlerweile 18 Jahre alt, wie sie die gemeinsame Zeit erlebt. Beide haben sich von Beginn an gut verstanden und sich einmal in der Woche getroffen. Als Vormundin war Frederieke in viele Bereiche von Samiras Leben involviert. Eng begleitet wurde sie in ihrem Ehrenamt von den Projektmitarbeiterinnen des Kinderschutzbundes. Hier wurden alle ihre Fragen beantwortet. „Für mich war es immer sehr wichtig, dass – neben all den wichtigen Dingen, die Samira und ich besprechen und für ihre Zukunft in Deutschland planen wollten – auch der gemeinsame Spaß nicht zu kurz kommt“, betont sie. Spaß hatten die beiden beispielsweise beim gemeinsamen Sport: Da Samira in Bergedorf wohnt, haben beide zusammen dort ein Sportstudio ausprobiert und Samira schließlich angemeldet. Auch der sportliche Ausflug in einen Trampolinpark hat beide in Bewegung gebracht. Frederieke Köver habe den Sport dabei immer als verbindendes Element erlebt, der es den Jugendlichen ermöglicht, neue Kontakte zu knüpfen und den Kopf auch mal auszuschalten. Auch wenn die Vormundschaft nun offiziell beendet ist, freuen sich die Frauen weiterhin über den freundschaftlichen Kontakt zueinander. Denn die gemeinsamen Erlebnisse verbinden beide weit über die Zeit der Vormundschaft hinaus. „Klar ist, dass auch ich aus der Zeit der Vormundschaft ganz viel für mich persönlich mitnehme“, erzählt Frederieke. „Nicht zuletzt eine Idee davon, wie bereichernd es ist, sich für ein gemeinsames Miteinander zu engagieren.“

Wenn Sie Lust haben, gemeinsam mit geflüchteten Jugendlichen etwas zu bewegen und sich unverbindlich über die Projekte Vormundschaften und Patenschaften für unbegleitete minderjährige Geflüchtete des Kinderschutzbundes zu informieren, nehmen Sie gerne Kontakt auf: Sevil Dietzel, 040-43292755, dietzel@kinderschutzbund-hamburg.de. Oder kommen Sie einfach zum Info-Abend der Projekte am 18.4.2019, 17:30-19:30, Fruchtallee 15, um Anmeldung wird gebeten an dietzel@kinderschutzbund-hamburg.de.

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